

Ich war seit der Nummer 2a mehr oder weniger festes Redaktionsmitglied, Co-Layouter und ab der Erstellung der Zeitung auf dem Computer (so ab 1987/88 - es war das damals ein Atari 1040 STF) Redakteur und Setzer zugleich.
Was letzlich auch ein großes Poblem für den Saurüssel wurde, denn als 1990 zuerst Mastermind Brigitte Menne sich zuückzog und ich so um 1990/91 dann meine Tätigkeit zurückgelegt habe, mußte die Arbeit am Computer wer anderer übernehmen - und das war in der damaligen Zeit noch keine Selbstverständlichkeit. Dieser Übergang war nicht so einfach zu bewerkstelligen. Auch schieden zu dieser Zeit noch weitere Mitarbeiter aus. Der Aderlaß war (zu) groß. Der Saurüssel ist dann noch eine Zeit lang halbjährlich erschienen, als Doppelnummer, um dann im Jahr 1993 endgültig zu entschlafen - es hat sich niemand mehr gefunden, die Arbeit zu machen und fortzuführen.
Diese Seite soll einen Überblick geben über die Art der Zeitschrift, über Ihre Geschichte.
Ich bringe dazu den Beitrag von Brigitte Menne aus der Jubiläumsnummer 20, also zum damals 5. Geburtstag des Saurüssel, aus Herbst 1989

Wie
entsteht eine Zeitung?
![]() |
waren:
Andreas Höllinger, Georg Schwarz und Dr. Bernhard Heindl
(Pehersdorf, Philosoph und Weber, damals noch Obmann des
VEROM), Anni Wall-Strasser (Aigen, Pastoralarbeiterin),
Robert Bräuer (Haslach, Organisa- tionssekretär der KAJ),
Franz Praher (Rohrbach, AHS- Lehrer), Waltraud Winkler
(Aigen, Sozialarbeiterin). Erstmals wurde versucht,
inhaltliche Vorstellungen einer "anderen Mühlviertler Regio-
nalzeitung" zu artikulieren: Die Zeitung sollte Beiträge zur
Regionalpolitik, Ökologie, Re- gionalanalyse, der Geschichte
des Mühlviertels und Er- fahrungsberichte z.B. aus der
Arbeits- und Schülerwelt bringen, sich aber auch mit
regionaler Kultur und be- merkenswerten Veranstaltun- gen
beschäftigen. Insbeson- dere sollte die Zeitung eine
Koordinierungsmöglichkeit al- ler Äußerungen von kritischen
Personen und Gruppen des Bezirks darstellen, z.B. der
Volkshochschule, der Betriebs- seelsorge, der kath.
Arbeiter- jugend, der Filmclubs, des Jazz-Ateliers und der
im Bezirk tätigen "Basisgruppen", wie der Amnesty-, der
3.Welt- und der Friedensgruppen usw. (Die Informationen über die Anfänge des SR stammen im wesentlichen aus Auf- zeichnungen von Bernhard Heindl, der bis 1987 in der Redaktion mitgearbeitet hat.) ![]() |
Im
Herbst 1984 sollte die Null- Nummer dieser Zeitung
erscheinen. Bei einem Treffen im April teilte sich die
Ur-Redaktion in Zuständig-keitsbereiche auf: B. Heindl für
Landwirtschaft, Regional- geschichte und 3.Welt; F. Praher
für Erwachsenenbildung und Kultur; A. Strasser für die
Arbeitswelt; G. Schwarz für Regional- und Gemeinde- politik;
A. Höllinger für das Lay-Out und B. Menne für das
Titelblatt. (Ich selbst war erst 1983 von der Stadt Salzburg
herauf ins Mühlviertel ge- zogen, mein Jüngster war noch an
der Brust - ich selbst in Karenz. Mein Bedürfnis nach
außer-häuslicher Betätigung und nach Kommunikation zwecks
Einwurzelung in meiner neuen Heimat waren dem- entsprechend
stark. So kam mir die Mitarbeit am entstehenden SAURÜSSEL
sehr gelegen. Erst ein Jahr darauf habe ich meine jetzige
Tätigkeit als Kulturarbeiterin aufgenommen, auf Grund dessen
ich mich dann auch stärker für den SAURÜSSEL engagieren
konnte).![]() Im Herbst 85 war im VEROM eine heftige Diskussion um den SAURÜSSEL entbrannt, die vor allem von den Regional-betreuern Heißl und Berg- mayer genährt worden ist: "Der SAURÜSSEL sei kein Vereinsorgan, schreibe was er wolle, die Leute verstehen nicht, was der Verein mit dem SAURÜSSEL zu tun habe; die Regionalbetreuer hätten Schwierigkeiten wegen dem SR, trauten sich nicht mehr, ihn zu propagieren.... |
Krenn und Breid hätten (in der Sondernummer 2 a, die E.
Matscheko - Schafbauer und Techniker - persönlich zeich-
nete) nicht angegriffen werden dürfen, denn breite Teile der
Bevölkerung stünden hinter ihnen....". (Auch das von mir anläßlich des ersten SAURÜSSEL-Festes gestaltete Titelblatt der Nr. 4 mit geflügelten, der Lustbar- keit hingegebenen Schwein- chen hatte den Unmut von konservativ-katholischen Krei- sen erregt). ![]() "Weiters sei der SR für den Normalverbraucher zu "kultur- betont, zu kritisch, zu negativ, ohne positive Lösungsvorschläge." Das Kon- zept der Regionalbetreuer zur Ausgliederung des SR aus dem VEROM wurde jedoch vom Vorstand nicht angenommen. Im November 85 kam es zur zweiten öffentlichen Sitzung des VEROM zum Zwecke der Kritik am SAURÜSSEL, der die Kritiker jedoch ganz uner- wartet fernblieben, die zahl- reich erschienen "Sympathie- santen" hingegen stellten überraschenderweise fest: Der SR ist "zu wenig bissig und scharf, hinsichtlich Korruption und Manipulation der Be- völkerung sei er viel zu milde. Die Zeitung sollte aktueller und konkreter sein, mehr politische Entscheidungswege aufzeigen, sachlicher argu- mentieren, mehr Schweiner- eien sollten aufgezeigt werden, noch mehr Leute sollten zu Wort kommen." Als Folge davon zeigte sich mit einer Erweiterung der Redaktion durch Hans und Anneliese Seebacher und Gabi Wögerbauer anläßlich der Winternummer 85/86 eine erste Blüte des SR. Die satirische und bereichernde |
Feder
von Hansi Seebacher blieb dem SR nur von Nr. 5 bis
einschließlich Nr.8 gewogen. Auch Alois Reiter beteiligt
sich seit diesem Zeitpunkt an der redaktionellen Arbeit. Der SR hat die Identitätskrise des VEROM überlebt, die Regionalbetreuer, die den SR gern als Propagandablatt für ihr eigenes Marketing ver- standen wissen wollten, sind bereits ein Jahr später gegangen. Mit der Redaktions- sitzung vom Jänner 86 war aber klar, daß der SR "kein Vereinsorgan mit Propa- gandasprache, kein Pseudo-Fachblatt war, keine unen- gagierte Plakat-Ideen-Ver- breitung betreiben sollte....". Herbert und Anni Roth fanden sich ab der Nr. 6 ein: Noch heute ist Herbert für den Handverkauf und für die Finanzübersicht verantwort- lich. Im Sommer 86 ist Gabi. W. nach Graz verzogen. Im darauffolgenden Herbst ist Veronika Lengauer, Sozial- arbeiterin aus Kefermarkt, zu uns gestoßen, die einen weiteren Aufschwung für den SR gebracht hat. Durch die Intervention des Regional- betreuers Ernst Miglbauer hatte sich der FREI (Regionalverein des Unteren Mühlviertels) für den SR zu interessieren begonnen; er zeichnete von Winter 86/87 bis Frühling 89 als Mit- herausgeber, wurde aber dann von der Redaktion wegen ausständiger Verpflichtungen (ideeller und finanzieller) wieder entlassen. Seit der Nr. 10 zeichnet der Spengler Klaus Wolfinger aus Tragwein, jetzt Gallneu- kirchen, mitverantwortlich in der Redaktion; andererseits hat sich seit der Nr. 11 Bernhard Heindl daraus zurückgezogen, stattet den SR jedoch weiterhin mit seinen wertvollen Beiträgen aus. Im Frühjahr 87 melden die Redaktionsnachrichten: "Eis- iger Wind bläst heutzutage allen ins Gesicht" , die Aus- einandersetzung mit den Regionalbetreuern und ihrer Auftraggeberin, der ÖAR (dem Dachverband der Regional- vereine) sind auf dem Höhe- |
punkt.
Die allgemeine Ver- unsicherung ist deutlich, wenn auch der
vom VEROM veranstaltete "Erdsegen" im Frühling ein großer
Erfolg und ein Auftrieb (vor allem für unsere Bauern)
gewesen ist. Seit der Nr. 11 ist Gerhard Pilz mit von der
Partie. Im Sommer 88 wandert Veronika ab, während die aus
der BRD stammende Kindergärtnerin Gabi Landertinger
(Neufelden) zu uns stößt. Im Herbst 88 bekommen wir noch
will- kommenen Zuwachs durch Maria Arnreiter, Kulturar-
beiterin in Freistadt, seitdem ist unsere Redaktion ein und
dieselbe geblieben. Nicht zu vergessen sei auch das emsige
Schwärmen unserer "Honig- biene" Maria Honsig, Religi-
onslehrerin aus St.Martin, die uns von Anfang an durch
wertvolle Tips& Tricks, sowie durch herzerfrischende
Neu- igkeiten aus ihrer Feder die Treue gehalten hat, wenn
sie auch nie ins Impressum gedruckt sein wollte - sowie
unseren Frischling Jutta Mitter, Maturantin und Mutter aus
Rohrbach. ![]() Die Nummern 0 und 1 : Fa. Wallner in Niederranna, seitdem auf Umweltschutz- papier durch die Druckerei Steurer in Linz. Das Layout wurde bis zur Nummer 15 händisch erstellt, seither setzen wir den SR auf einem ATARI 1040ST. ![]() |
sollte
sozusagen den Eintritt ins Obere Mühlviertel spirituell
ermöglichen mittels durch sie vermittelte Kenntnisse und
Informationen. In bewußter Anlehnung an die genau vor 150 Jahren von Georg Büchner (1834) ge- gründete erste sozialistische Kampfschrift, den "Hessischen Landboten", brachte Bernhard Heindl den Untertitel ein. VORBERICHT Dieses Blatt soll dem hes- sischen Lande die Wahrheit melden, aber wer die Wahrheit sagt, wird gehenkt; ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird durch meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum haben die, welchen dieses Blatt zukommt, folgendes zu beachten: 1. Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses vor der Polizei verwahren; 2. Sie dürfen es nur an Freunde mitteilen; 3. Denen, welchen sie nicht trauen wie sich selbst, dürfen sie es nur heimlich hinlegen; 4. Würde das Blatt dennoch bei einem gefunden, der es gelesen hat, so muß er gestehen, daß er es eben dem Kreisrat habe bringen wollen; 5. Wer das Blatt nicht gelesen hat,wenn man es bei ihm findet, der ist natürlich ohne Schuld. Friede den Hütten. Krieg den Palästen. ![]() Die auch im oben zitierten "Hessischen Landboten" zu Tage tretende "Anstößigkeit" von kontroversiellen Schriften in der Provinz bekam auch der |
SAURÜSSEL
gelegentlich zu spüren. Lange wurde er z.B. in uns bekannten
Trafiken mit anderen, der Jugend ver- botenen Schriften,
unter der Budel gehandelt: heute liegt er hier züchtig
versteckt bei den "politischen" Magazinen (hinter dem
Profil).![]() kam unter Mitwirkung von A. Höllinger, B. Heindl, F.Praher, G.Schwarz und mir zustande. Sie umfaßte 20 Seiten und beinhaltete folgende Artikel: Zur Anatomie der Zeitung; Warum heißt der SAURÜSSEL Saurüssel; Grabe, wo du stehst; Was steckt hinter dem Verein für eigenständige Re- gionalentwicklung; Nicaragua; Baumlyrik; Arbeitslos; Hier spricht der biolog. Landbau; Erfahrungsbericht aus der Koblmühle; Tips & Tricks. Autoren waren außer den genannten Personen der Redaktion: Eine Schülerin, die anonym bleiben wollte (Nica-raguabericht), ein Haupt- schüler, Anni Wall-Strasser, Karl Radler (Pensionist), Heinz Duy (Bäcker und Lebens- künstler) und G.M. Hopkins (engl. Schriftstellerin 1844- 89). ![]() "Sprachrohr für freiwillige und unfreiwillige Arbeitslose, Alte, Kriminelle, Frauen, Exzen- triker, Lehrlinge, Schüler, Behinderte, Landstreicher und andere Normale. Spielwiese für Ideen, Tablett der Früchte der Phantasie, Blickpunkte, Sicht- weisen, Satiren... Kritisch und offen für Probleme und Anliegen unserer Region - für unsere Region". ![]() "Unabhängig, offen, frei... bestrebt, eine Kommunikation unter allen Gesellschafts- gruppen zu schaffen." Nach Auswertung des in der Null- Nummer präsentierten Frage- bogens wünschten sich die Leser damals besonders Bei- träge zur Regionalpolitik, Re- gionalgeschichte, Emanzipa- tion, Träume, Landwirtschaft. |
Weiters:
Witze, Ernährung/ Gesundheit, philosoph.-theol.
Spekulationen, Gedichte, Tauschvermittlungen, "Über-
regionales", Informationen zum Umweltschutz. Rückblickend auf die Ausgangssituation des SRs erscheint mir folgendes bemerkenswert: Die Idee zur Regionalzeitung kam von außerhalb des Trägervereins VEROM. Andreas Höllinger zählt bis heute nicht zu dessen Mitgliedern, blieb aber bis heute der Redaktion als "aktiver" Mitarbeiter treu (wahrscheinlich, weil er von den zahlreichen sonstigen Aktivitäten des VEROM unberührt seine Kräfte erhalten konnte). Bernhard Heindl und Robert Bräuer, zwei stark engagierte Mitarbeiter, brachten ihre journalistische Energie nur eine Zeitlang (B.H. bis 1987 oder sporadisch, wie R.B.) ins gemeinsame Blatt. Franz Praher zog sich ab der Nummer 3 vom SR, nicht aber vom VEROM zurück, gründete im eigenen Umfeld die VHS-eigenen "FINDLINGE". Anni Wall-Strasser und Waltraud Winkler sind weggezogen. Aus der Zusammensetzung der Ur-Redaktion und aus den von ihr seit Beginn formulierten Zielen (konfessions-, partei-, schichtübergreifend) läßt sich eine ausgeprägte Hetero- genität der Inhalte des SRs feststellen. Der SAURÜSSEL war von Anfang an bunt und in sich widerspruchsvoll: bis heu- te hat die Grundsatzdiskussion innerhalb der Redaktion nicht aufgehört, was sich zuletzt in ähnlichen Fragen wie: "Sind wir zu negativ? Urteilen wir zu häufig? Ist Agressivität prinzipiell negativ zu be- werten?" Was sind "positive" Darstellungsweisen, was "ne- gative"? "Wie hoch ist der Informationswert unserer Zei- tung einzuschätzen?" äußerte. Unterschiedliche Kräfte waren und sind beim SR am Werk, doch wir stellen uns der Diskussion, halten der Zer- reißprobe, die im Grunde alle "alternativen" (lebendigen) Gruppierungen bedroht, stand. Zweimal jedoch haben Mitarbeiter die Redaktion wegen inhaltlicher oder for- |
maler
Differenzen verlassen: 1987 Karl Radler in der Diskussion um
die Bewertung des "Gedenkjahres" und 1989 Max Danecker. - Mit Ausnahme von mir hat die Ur-Redaktion aus Mühl- viertlern bestanden. Der oft erhobene Vorwurf, der SR sei eine Art "Exil-Zeitung von Stadtflüchtern", ist weder für seine Gründung noch für die heutige Zusammensetzung der Mitarbeiterinnen zutreffend. - Die Grundmotivation, mit dem SR ein Medium zu schaffen, das den geringen geistigen Toleranzspielraum ausnütze, um ihn systematisch zu erweitern, gilt bis heute. Dazu sollte die Zeitung zwischen den Klippen der Diplomatie und dem un- bequemen Aufzeigen von Sachverhalten sowie von gesellschaftlich tabuisierten Grauzonen hindurchsegeln lernen. Der frisch in die Welt gesetzte Frischling sollte zum "Stein des Anstoßes" werden, andererseits aber selbst verletzbar, angreifbar und beweglich bleiben gegenüber den Rückmeldungen und den Anliegen der Leserschaft. ![]() ![]() Wann hat der SAURÜSSEL mehr oder minder erfolgreich tabuisierte (unanfechtbare, verschlossene) Grauzonen der Gesellschaft angetastet? Mit der Nummer 1 ist der SR gleich kräftig ins Fettnäpfchen der Land-Bürger getreten: wer wagte bisher eine der denk- malgeschützten heiligen Kühe der traditionellen Ordnung, die Schule, anzugreifen? Und der |
SR
übergab das Mikrofon gleich einem Kind, das sein schrilles
"Die Schule ist blöd" in die heile Welt der Duckmäuser
hineinschmet- terte. In Nummer 5 folgte ein Verriß der
schulischen Gruß- Dressur mit der vom selben Bengel
entwickelten "Begrüs- sungsmaschine", wenn auch in der Nr. 4
mit der "Lebensluft der neuen Schule" von Genia Schwarzwald
schon eine frische Brise belebender Utopien den Kasernenmief
der "Schulwelt" durchkreuzte. Es folgte der lebendige Licht-
blick, die fortlaufende Wür- digung der Schule der Kinder,
der inzwischen wegratio- nalisierten Schule in Haid bei
Königswiesen von Richard Pils ("Vom Wohnen und Reisen" - SR
Nr. 8), eine praktizierte Alternative im Heimunterricht ("Ja
derf ma denn des überhaupt" in SR Nr. 12) und ein
Frontalangriff auf die im Bezirk Rohrbach herrschende Praxis
der "Umwelterziehung": "Die Schule repetiert" in Nr. 15.
"Der ganz normale Skandal" war so normal und die
Angegriffenen so rep- tilienartig starr, daß der Stich ins
Leere ging: der selbe Artikel hätte in der "Rund schau"
Aufsehen erregt, nicht aber im SAURÜSSEL, der die breite
Öffentlichkeit nicht erreicht und deshalb auch nicht erregt.
Ich vertrete seitdem die Meinung, daß der SAURÜSSEL die
Narrenrolle spielt im Drama der Medienmächtigen und er sich
alles leisten kann. Nr. 16 brachte "Erziehung zum
Antifaschismus" und "Schule ohne Aussonderung".![]() Der von Alois Reiter in Nr. 1 persiflierten Eröffnung einer heiligmäßigen Messe des Konsums stellten wir die Eröffnung des Supermarktes auf dem Weg über die Oberlichten gegenüber: Ein "echter Einbrecher" beschreibt sein illustres Handwerk - und in der Nr. 2 stellt er sich |
selbst
vor: "Mit 12 Fingern geboren". Nach 2 Jahren in Freiheit ist
Joe von Vanni wieder "intern" aufgetaucht - für den
SAURÜSSEL ist es erfreulich, weil er uns wieder![]() Beiträge schickt als "Joe von der Weiden" - hinter neuen Gittern, wo er sich's leisten kann, wieder zu schreiben. In der Nr. 15 folgte "Nullpunkt", der die Haslacher Punks zu Wort kommen ließ, und die Dokumentation einer Außenseiter - Veranstaltung in Gutau. Wie schon in unserer Erstvorstellung identifiziert sich unsere Zeitung mit den Verfemten, den Nicht-Seßhaften, Aus-der-Rolle- Ge- fallenen als den "Normalen", weil sie ihre eigene Existenz als eine Art "Samisdat-Presse" mit "dissidenten" Autoren auch nur als höchst folgerichtig und normal ansehen kann. ![]() ![]() Die schon in Nr. 1 verlautete Nachricht der Redaktion an die Leser, unser Landbote wolle "in die herrschende Geistes-beschränkung einbrechen, um darin Luft zu machen" und |
"vielerlei
Sprachen und Themen über die üblichen Grenzen hinwegtragen",
um "keine Einhelligkeit der Meinungen zuzulassen" zielte
natürlich auch auf die Frauen, diese meist schweigende
Mehrheit und in der Öffent- lichkeit traditionell ausge-
sparte erste Minderheit der Bevölkerung. In eigener Sache meldete ich mich erstmals im "Scheiter- haufen" zu Wort, damit die Rollenzwänge, in denen ich mich selbst gefangen wußte, infragestellend. In der gleichen Ausgabe schreibt die junge Krankenschwester Gabi Wögerbauer in den Redak- tionsnachrichten "Mädchen- Alp-Träume" von ihrer häufigen Angst vor Ver- gewaltigung. Es folgten in der Nr.7 "Der blühende Mohn oder wie es uns sogeht", eine der stärksten Artikulationen zeitgenössischer weiblicher Befindlichkeit von der Bäuerin Sophie Brandstetter, neben "Erotische Bilder im Volkslied" von Susanne Lach, die den männlichen Frauenkonsum in Liedern untersuchte. In Nr. 9 kritisierte bereits eine Leserin (Paula Matscheko) meine in der Vornummer ("Ein Vorwort zur Erotik") getroffene Unterscheidung von Erotik und Sexualität. In der Nr. 10 rührte ein junger Mann(!), Gernot K., an ein stark tabuisiertes Thema: Die Vergewaltigung in der Ehe. Mit "Puppe abwerfen und Selbst- verantwortung" meldete sich in der Nr. 12 neuerdings S. Brandstetter zu Wort, in "Eier- legen im Drahtkäfig" legte eine junge Webereiarbeiterin ihre Arbeitsbedingungen of- fen, und zwei Mühl- viertlerinnen berichteten über ihre Teilnahme am "Welt- kongreß der Frauen in Moskau". Die Nr. 13 brachte das "Märchen vom Margaretha-Lied". Es folgte in Nr. 15 ein Schrei nach der Bäuerinnenpension, ein Be- richt über "Das Ansehen der Bäuerin" und "Wasser und Freiheit" (über die Teilnahme an einem Frauenseminar in Mali). Nr.16: Über "Land-Frauen-Leben", und Nr. 17 wieder ganz stark in der tabuisierten Frauenfrage: "Maria im Zeitalter des Kapitalismus", zum Er- ziehungsgeld: "Schafft die |
konventionelle
Arbeitsteilung ab" und "Die Zukunft ist weiblich", "Ein Bund
für Bäuerinnen" (Nr. 18) und "Das Bier und die Frau (Nr.19). Festzuhalten ist in diesem Rückblick auf unsere fünf- jährige SAURÜSSEL-Arbeit, daß nicht wenige Frauen - auch ich - durch die vom (androgynen) Landboten ausgehende Ermutigung und Ermunterung sich erstmals getraut haben, in einer Zeitung mit der eigenen Weltsicht hervorzutreten. Ich glaube, dies ist eine nicht zu unterschätzende, die gewöhn- lich männlich dominierte Monokultur der Provinzpresse (und darüber hinaus) unter- wandernde Leistung des SAURÜSSELS. ![]() In diesen Bereichen konnte der SR in mehrfacher Hinsicht wertvolle Aufbau-, Informa- tions- und Dokumentations- arbeit leisten. 1. Mit der nicht spekulativen, sachlichen Informations- tätigkeit des eigentlich "metierfremden" selbsttätigen Forschers in Sachen Land- wirtschaft, Bernhard Heindl: Von Anfang an waren seine Beiträge "Aus der Land- wirtschaft" in Ihrer engen Verflechtung mit der 3. Welt eine unverzichtbare Orien- tierungshilfe für Agrarier und Konsumenten. Weitere Beiträge erschienen zum biologischen Landbau, zu Zusammenhängen von Hunger und Überfluß, zu den Agrarimporten, zur industriali- sierten Landwirtschaft i. d. USA, zum Pestizideinsatz, zu Schärdinger, zum Naturgarten, "Aus Brot werden Steaks", Auswege aus der Krise, "EG- Chance für die Bauern?". 2. Die regionalpolitische Interessensgemeinschaft der Bauern gegen den geplanten Ausbau der Variante 5: Bereits mit der Nr. 2a hat der SR die V5-Gegner gesponsert: Diese Nummer wurde zur Gänze von E. Matscheko gestaltet unter Mitarbeit von Andreas Höllinger, von dem auch die |
Idee
zu dieser Sondernummer stammte: sie wurde von den
betroffenen Bauern zur Gänze![]() finanziert. Matschekos Artikel ist von den ca. 20 versammelten Bauern gutgeheißen worden. In den betroffenen Gemeinden Altenfelden, Lembach, Hörbich und Putzleinsdorf wurde die Nr. 2a an jeden Haushalt geschickt. Die Reaktionen waren vielfach poitiv, aber teilweise auch sehr entrüstet (wegen Beleidigung des be- rühmten Herrn Krenn, der - ohne seinen 2fachen Doktortitel - auch "Gast- arbeiter in Deutschland!" ge- nannt worden ist). Der LA und Bürgermeister von Atzesberg Leitenbauer drohte dem SR in diesem Zu- sammenhang mit einer Klage wegen einer ihm angeblich unterstellten Äußerung. Der SR konnte mit einem humorvollen Widerruf in der Nr. 3 die Klage jedoch abwenden. In beinah allen Nummern berichtete der SR über die weiteren Bemühungen der Straßen- gegner: Im Juli 85 ging eine weitere Sondernummer (15a) zur V5 in die Lande, als der Oberste Gerichtshof die Be- schwerde der 14 enteigneten Bauern für zurecht erklärt hatte. Festzuhalten ist, daß der Kampf um die Ver- hinderung der V5 nicht aus- gestanden ist. In der Zwischenzeit aber sind die Kräfte erheblich zu- sammengewachsen: der VEROM mit den Straßengegner und diese wiederum mit dem SAURÜSSEL, während ander- erseits die öffentliche Meinung auch in Zusam- menhang mit anderen sinn- losen Straßenbauten in OÖ sich eher zugunsten der Straßengegner verändert hat. |
In
Zusammenhang
mit der Diskussion um die V5 und den inzwischen
ausgestandenen Kampf gegen Wackersdorf wurde im SR auch
(angeregt durch Günter Anders) eine Grundsatzdiskussion um
die Gewalt oder die Gewaltfreiheit im politischen Widerstand
geführt (SR Nr. 10). In bewußter Verknüpfung zu den aktuellen Widerstands- bewegungen der Agrarier brachte E. Matscheko in 2 Folgen seine Geschichte der, Bauernkriege "Es mueß seyn!" (SR 11 u. 12) 3. Auch das Wachsen der im Mühlviertel beheimateten "Agrar- Opposition" der Österr. Bergbauernvereinigung und der neuen Bio-Bauern von "Erde & Saat". "Das Weizenattentat in Rohrbach" hat der Saurüssel doku- mentiert 4. Die Beiträge zu einer neuen Lebensmittel- und Ver- marktungsphilosophie: "Ge- schichte des Glykols" (v. Hans Diwald), Käserei, Schwierig- keiten, der Rohrbacher Bauernmarkt, Cäsiummilch, Die Müli, Das Dilemma unserer angereicherten Nahrung, Der Mensch ist, was er ißt, Halbzeit oder Mahlzeit, Das Lebende Wasser, Sein oder Werden, sG'wölb'. "Vom Anfeil- und Fürlagzwang und der freien Markt- wirtschaft"; Wildkräuter, Halt- barmach-Schlaumeiereien, Bi- wak im Schnee, Winke für Flaschen, Honig-Nektar, Voll- wert-Gebäck; Die Beiträge zum Rausch- und Sucht- verhalten in der Nr. 19 ![]() |
![]() schlug sich von Beginn an in grundsätzlichen Beiträgen nieder: Die Zukunft wird ohne Atomkraft sein. Zur Elektri- zitätsversorgung; zur Flur- bereinigung; das Anlegen von naturnahen Hecken; Zu Wackersdorf; Der Natur- garten; Keine Einmischung in Drogenfragen; Die Moldau wird verdampft; Hausmüll; Wasch- mitteleinsatz; zum Dorfertal; Zum Niedergang des Waldes; Zur Stromschiene nach Temelin; Die Selbstentsorger; Auf freiem Land; "Tscher-nobylder", ein kraftvoller lyrischer Zyklus von Alois Reiter. "Von den modernen Allergien unter der Herrschaft des Geistes" von B. Heindl war auch ein wesentlicher Beitrag zur Humanität der Arbeit; "Die Entwicklungssucht der Moderne" v.S. Groeneveld; Dokumentation von Umwelt-Aktionenen in der Region: Der Bauer Amerstorfer klagt Wackersdorf, Fahrt nach Wackersdorf, Bericht von Hainburg, Protest gegen die 110 KV-Leitung, zur Giftstätte im Weinbergholz, die Selbst- entsorger, Pühinger lügt. "Konzertreise gegen den Atomkrieg", "Musik gegen Atom". ![]() 1 REGIONALGESCHICHTE: Textilarbeiterstreik in Has- lach; Der Bauernadvokat Mathias Brandl; Die Schule in Aigen 1824; Tagebuch- aufzeichnung einer Bäuerin 1933-47; Kinder schreiben eine Dorfchronik; Die Re- volution von Reichenau; Ein Speisekartenvergleich; Der kleine Unterschied; Die Ent- stehung der Gasthäuser in Paris. 2 ZEITGESCHICHTE: "Geschichtlicher Abriß eines Österreichers" in Fort- setzungen; Lehrzeit vor 60 Jahren; Stichwort: Vergangen- heitsbewältigung; Weih- nachten eines Frontsoldaten; Aber sagen Sie nicht, daß Sie Jüdin sind! - Kriege: Tendenz steigend; Die Mühlviertler Hasenjagd; |
Würdigung
der Pensionistin M. Urz; Kirche in der NS-Zeit; In memoriam
E. Fried. Klare Stellungnahmen brachte der SR auch zur
österr. Misere des neuen Staatsoberhauptes: Unser neuer
Bundespräsident ist ein Gerechter! Der Pflichttäter 1986;
Gefühle, die ich nicht will; Über die öffentliche
Verwirtschaftung der Sprache; Sprachregelung 86 usw. Neben
der Doku- mentation und Würdigung von neuen regionalen
Projekten, einer fortlaufenden Kultur- geschichte der
Pflanzen... brachte der SR Erstver- öffentlichungen und
Nach- drucke von bedeutender, seltener Literatur, - aber
auch ![]() die das weite Kultur- verständnis und das soziale Engagement des Verom dar- stellen: "Leben wir in einer benachteiligten Region? - Ermuterung zur Eigen- ständigkeit; Bilder aus der Bildung; Lehren der Ver- gangenheit - Experimente für die Zukunft (über die ländl. Baukultur); zur Dorf-Erneu- erung; Lernen wir das Helfen: Eigenständige Regionalent- wicklung als Prophetischer Dienst an der Heimat usw. Meiner Meinung nach sind Der SAURÜSSEL und sein Trä- gerverein mit vielen seiner Leser/innen in diesen ersten Jahren mehr und mehr zusammen gewachsen: Wir spüren, daß wir alle einander notwendig haben. Wir könnten weiter in die gemeinsame Richtung gehen... Mögen unsere Leser selbst urteilen, ob es der SAURÜSSEL gebracht hat, ob er die Zeichen, unter denen er angetreten ist aufzunehmen und in die Tat umzusetzen verstanden hat. Unsere weitere Zeitungsarbeit en miniature, wie wir sie betreiben, hängt aber wesentlich nicht nur von unserer anhaltenden Freude am journalistischen Tun ab, sondern vor allem von seiner Anerkennung durch unsere Leser: Bleiben Sie uns gewogen, verbreiten, abonnieren Sie unseren SAURÜSSEL! |
Das also ist die Geschichte unseres Saurüssels.
Einen von mir verfaßten Bericht,
erschienen in zwei Teilen in beiden Nummern 11 und 12, Sommer 1987,
möchte ich hier noch für alle Interessierten als pdf zum download anbieten.
Hier noch ein ganz besonderer Hinweis: ich setze einen Link auf die
Galerie der Saurüssel-Titelblätter
(leider nicht ganz vollständig)
Diese aussergewöhnlichen Titelblätter wurden v.a. von Brigitte Menne
gestaltet und sind kleine Kunstwerke.
Mitarbeiter und Redaktionsmitglieder, oben im Text ja auch erwähnt,
waren:
Gabi Landertinger
Ernst Matscheko
Gerhard Pilz = Bütz
Herbert Roth
Maria Arnreiter
Brigitte Menne
Jutta Mitter
Klaus Wolfinger
Hubert Sigl
Joe von der Weiden
Andreas Höllinger
Alois Reiter
Maria Honsig
Heinz Duy
Bernhard Heindl
Heidi Kneidinger
sowie einige weitere, die aber meist nur für einen kürzeren Zeitraum
dabei waren oder eben nur einen Artikel verfaßt haben
Ich selbst habe mich in dieser o.a. Jubiläumsnummer wie folgt
beschrieben:

geboren
im Winter, was mir das Geburtstagsfeiern im Freien erschwert.
Melke 10 Milchschafe und vermarkte alles selbst und direkt, was
nicht heißt,
daß ich nicht schon anderes gemacht habe. Verheiratet, 3 Kinder
15 Schafe, 20 Hühner, 50 Karpfen, 1 Katze, Hund gestorben.
Zum Verdruß diverser Lokal"größen" habe ich es nicht nur beim
Schreiben belassen. Hobbys: Politik, Bier, Frank Zappa
Ein Wenig hat sich also doch verändert mit den Jahren.